Unsere Haut ist das am häufigsten von Krebs betroffene Organ – rund 10% dieser Erkrankungen entfallen auf den schwarzen Hautkrebs, medizinisch als Melanom bezeichnet. In der Schweiz erkranken jährlich rund 2’000 Menschen an Melanomen. Häufig folgen Monate voller Verunsicherung und Ängsten, etwa jeder fünfte Betroffene verstirbt sogar. Zwei Patienten berichten, wie sie Halt in der Familie oder Selbsthilfegruppen fanden – und wie wichtig regelmässige Untersuchungen durch den Hautarzt sind.
Natascha und Neven, vor einigen Jahren seid Ihr an Hautkrebs erkrankt. Wie kam es damals zur Diagnose?
Natascha: Ich hatte immer schon sehr viele Muttermale und wusste, dass ich eine Risikopatientin bin. Alle zwei bis drei Jahre bin ich deswegen zur Kontrolle zum Hautarzt gegangen und es war immer alles in Ordnung. Im Jahr 2014 hatte ich am Oberarm dann ein rotes Muttermal, welches wieder und wieder geblutet hat. Damit meine Kleidung nicht verschmutzte, habe ich es mit Pflastern abgedeckt.
In einer Zeitschrift habe ich zur etwa selben Zeit eine Kampagne zu Hautkrebs gesehen, welche ein Bild von einem roten Hautkrebs beinhaltete. Danach habe ich sofort einen Termin beim Hautarzt abgemacht. Bei der Untersuchung hat sich das Muttermal dann leider als Melanom (schwarzer Hautkrebs) herausgestellt.
Neven: Seit ich ein Teenager war, ging ich regelmässig zum Hautarzt, um meine vielen Muttermale kontrollieren zu lassen. Im März 2017 verlief eine weitere Kontrolle ohne einen auffälligen Befund. Drei Monate später jedoch stellte ich eine neue Wucherung am rechten Knie fest, die sich als Hautkrebs herausstellte. Mein Dermatologe lobte mich sogar dafür, dass ich nicht gezögert hatte, mich zu melden. Er meinte, dass diese Stelle sich wahrscheinlich als nichts Gefährliches entpuppen würde. Die Wucherung wurde herausgeschnitten und nach der histologischen Untersuchung habe ich Bescheid bekommen, dass es leider schwarzer Hautkrebs sei. Ich war damals 43.
Was war Eure erste Reaktion? Was hat die Diagnose in Euch ausgelöst?
Natascha: Sehr viel Unsicherheit, da ich nicht wusste, was nun passieren wird und was auf mich zukommt. Zur Erstdiagnose wurde das verdächtige Muttermal entfernt, danach wurde noch ein zweites Mal operiert und etwas mehr gesundes Gewebe ringsum entfernt, um sicherzugehen, dass keine Reste bösartigen Gewebes verbleiben. Es folgte sogar noch eine dritte Operation, um den angrenzenden Lymphkonten zu entfernen, damit man feststellen konnte, ob der Krebs schon gestreut hatte. In dieser ganzen Zeit wurde mir nie richtig erklärt, was diese Diagnose für mich bedeutet und wie gefährlich schwarzer Hautkrebs ist. Wie viele bin ich damals ins Internet gegangen, um mich über diese Form von Hautkrebs zu informieren. Zwischen den Terminen in der Klinik hat man immer wieder Zeit zu grübeln, da man immerzu auf den nächsten Termin oder Laborbericht wartet. Die Warterei hat bei mir viel Angst und Unsicherheit ausgelöst, da ich auch drei Kinder habe und mich gefragt habe, was passiert, falls ich sterben sollte. Damals wusste ich auch nicht, wie weit man schon mit den Therapien war. Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiss, wäre meine Angst sicherlich nicht so gross gewesen.
Neven: Die ersten Gefühle, welche sich eingestellt haben, waren Trauer, Verzweiflung und Angst. Ich dachte, dass es das nun war. Einer meiner Bekannten ist ungefähr zur gleichen Zeit an den Folgen von Hautkrebs gestorben. Er hatte einen ähnlichen Verlauf wie ich und galt nach sieben Jahren ohne weitere Metastasen als geheilt. Im siebten Jahr nach der Erstdiagnose litt er plötzlich an Schwindelanfällen, welche durch Hautkrebsableger (Metastasen) im Hirn ausgelöst wurden. Hirnmetastasen sind immer noch kaum therapierbar. Das hat bei mir sehr viel ausgelöst.
Nach dem ersten Schock wollte ich mich meinem Schicksal damals jedoch nicht ergeben. Ich habe sofort in den Überlebensmodus geschaltet und wollte mehr über den Krebs erfahren und was ich dagegen tun kann.
Wie offen habt Ihr darüber gesprochen und wie hat Euer Umfeld reagiert?
Natascha: Mein Ehemann hat sehr gut reagiert und hat mir Mut gemacht, dass wieder alles gut wird, da wir so ein tolles Gesundheitswesen haben. Das Schwierigste war für mich jedoch, es meinen Kindern zu erklären, ohne ihnen allzu viel Angst zu machen. Ich wollte es damals nicht vielen sagen, da ich selbst nicht gewusst habe, wie ich mit der Erkrankung umgehen soll. Und die wenigen, welchen ich es anvertraut habe, wussten ebenfalls nicht, wie man auf so etwas reagiert. Es kamen oft Bemerkungen, dass ich sterben könnte, oder dass man nicht wisse, wie man mir nun begegnen solle – schliesslich ist Hautkrebs nichts, was man den betroffenen Patienten ansieht. Es ist nicht vergleichbar mit Patienten, die eine Chemotherapie bekommen und an Haarverlust leiden. Meine Einstellung dazu hat sich stark verändert, da ich heute viel offener darüber sprechen kann.
Zwischen 2014 und 2016 hatte ich insgesamt drei Melanome, welche entfernt werden konnten. In dieser Zeit hatte ich den Eindruck, dass ich nur noch und überall Melanome bekomme und wusste, dass ich etwas für mich tun musste. Ich habe mich der Melanom-Selbsthilfe angeschlossen, wo ich die Möglichkeit hatte, mich mit anderen Betroffenen auszutauschen. In dieser Gruppe habe ich grossen Rückhalt und Unterstützung erfahren. Seit Beginn der Pandemie gehe ich nicht mehr zu den Treffen, jedoch weiss ich, dass ich jederzeit wieder hingehen kann.
Neven: Meiner Familie und meinen Freunden habe ich es allen erzählt, ausser meiner Mutter. Sie war damals ein zweites Mal selbst an Krebs erkrankt, und ich wollte nicht noch mehr Angst bei ihr auslösen. Mein Ehemann war eine sehr wichtige Stützte für mich, da er mich immer zu allen wichtigen Terminen begleitet hat. Am Abend nach der Diagnoseverkündung sagte er mir: «Ich heile Dich mit meiner Liebe.» Durch meine Diagnose wurde einigen in meinem Umfeld klar, dass Krebs nicht nur Menschen nach der Pension betrifft.
Wie habt Ihr Eure Behandlung empfunden? Fühltet Ihr Euch gut aufgehoben?
Natascha: Wie bereits erwähnt, wurden mir die Melanome entfernt. Danach bin ich jeweils alle drei Monate zur Kontrolle der Haut zu meiner Hautärztin. Dabei wurde an einigen Stellen Muttermale herausgeschnitten, die sich nicht als Krebs oder nur als Vorstufe herausgestellt haben. Von all den Melanom-/Muttermalentfernungen habe ich auch einige Narben, die nicht direkt weh tun, jedoch spüre ich ab und zu ein Ziehen. Zusätzlich wurde halbjährlich eine Bestimmung des Proteins S100 im Blut gemacht, das als Marker für Tumoren dient, und alle Jahre eine Ultraschalluntersuchung der Lymphbahnen/-knoten zum Ausschluss von Metastasen. Da ich seit fünf Jahren nun tumorfrei bin, gehe ich nun alle sechs Monate zur Hautuntersuchung zu meiner Dermatologin, welche auch meine Vertrauensperson ist. Die Freude über die vergrösserten Abstände von den Untersuchungen ist verhalten, da ich mich wieder frage: «Was passiert, wenn der Krebs zurückkehrt?»
Ich habe mich bei meinen Ärzten immer gut aufgehoben gefühlt. Ich hätte mir als einziges gewünscht, dass man mir bei der Erstdiagnose gesagt hätte, wie gefährlich diese Art von Krebs ist und was passieren kann, wenn sich Ableger bilden. Wahrscheinlich wollte man mich nicht zu sehr belasten - jedoch wäre es für mich persönlich besser gewesen, alles von Anfang an zu wissen, ohne dass ich mir die Informationen im Internet zusammensuchen muss.
Neven: Nach der Diagnose wurde nochmal grossflächig an der betroffenen Körperstelle eine Entfernung vorgenommen und die für diese Körperregion zuständigen Lymphknoten wurden auf Ableger untersucht. Es stellte sich leider heraus, dass sich tatsächlich einige dieser Ableger gebildet hatten. Nach der genetischen Analyse meines Tumors stellte sich heraus, dass er leider keine nützliche Mutation besass, die eine gezielte Therapie mit bestehenden Medikamenten ermöglichen würde. Dies bedeutete, dass ausser engmaschiger Beobachtung nicht viel übrig blieb. Deswegen gehe ich alle drei Monate zur Kontrolle: Es werden im Blut verschiedene Tumormarker gemessen, die Lymphknoten untersucht, und zusätzlich in regelmässigen Abständen Bildgebungen durchgeführt (alljährlich PET-CT, alle zwei Jahre ein MRI), um eine Bildung von weiteren Ablegern möglichst rasch zu erkennen. Seit der Erstdiagnose wurden bei mir acht verdächtige Muttermale entfernt, welche entweder gutartig oder schon Krebsvorstufen waren, jedoch kein Melanom mehr.
Da ich keine weitere Therapie im eigentlichen Sinne bekommen könnte, sondern «nur» die engmaschigen Kontrollen übrig bleiben (die Strategie meiner Onkologin lautet “Wait and see”), bin ich in der Zwischenzeit zur Betreuung von einer grösseren Universitätsklinik in eine Privatklinik gewechselt. Aber selbst nach fast vier Jahren ohne neue Metastasen ist die Angst nie weg: Sollten sich neue Metastasen bilden, liegt die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, für mich bei etwa 50%.
Braucht es mehr Aufklärung über Hautkrebs, auch in Bezug auf regelmässige Skin Checks? Fühltet Ihr Euch ausreichend über die Krankheit und die vorhandenen Therapieoptionen informiert?
Natascha: Mir war damals einfach nicht bewusst, wie gefährlich schwarzer Hautkrebs ist. Durch Zufall habe ich damals das Inserat zur Hautkrebskampagne in einer Zeitschrift gelesen und bin daraufhin zum Arzt. In diesem Bereich könnte man einiges mehr machen, wenn man sieht, wie viele Menschen sich immer wieder unbedarft in die Sonne legen. Mein Eindruck ist, dass z.B. in Bezug auf Brust- oder Gebärmutterhalskrebs viel mehr gemacht wird und diese Krebsarten präsenter sind - zumindest in der weiblichen Bevölkerung, da man alle Jahre zur Kontrolle beim Gynäkologen geht und das dazu gehört. Demgegenüber lässt bei Weitem nicht jeder seine Haut regelmässig untersuchen, ausser vielleicht man gehört zu einer Risikogruppe oder hat helle Haut. Deshalb habe ich mich bereit erklärt, über meine Erfahrungen zu berichten. Es ist mir wichtig, darauf aufmerksam zu machen.
Neven: Das ist unbedingt notwendig. Bei der Arbeit wurde ich nach der Diagnose oft gefragt, was ich genau habe. Viele dachten, dass Hautkrebs etwas ist, das man einfach herausscheiden kann und im Gegensatz zu anderen Krebsarten keine Ableger bildet oder gar zum Tode führen kann. Es hört sich jedoch harmloser an als es eigentlich ist. Jedes Jahr sterben mehr als 300 Personen in der Schweiz an Melanomen (Quelle: krebsliga.ch). Was viele Leute nicht verstehen, ist, dass es nicht das wildgewachsene Muttermal ist, das einen tötet, sondern seine sehr gefährlichen Ableger im Hirn, in der Leber oder in der Lunge.
Ich teile meine Geschichte, da meines Erachtens wenig Bewusstsein für schwarzen Hautkrebs besteht und es wichtig ist, sich zu schützen und präventiv zu handeln.
Wie geht es Euch heute? Was hat sich für Euch verändert?
Natascha: Es geht mir sehr gut und ich bin zufrieden. Es ist wahr, dass man nach solch einer Diagnose viel bewusster lebt und sich z.B. nicht mehr über anhaltendes schlechtes Wetter aufregt. Anfangs habe ich mich gefragt, was ich schon geschafft habe und was ich noch erledigen will, falls ich doch früh sterben sollte. Daraufhin habe ich mich in viele Projekte gestürzt.
Neven: Mir geht es soweit super. Es vergehen sogar manchmal Tage, an denen ich nicht an den Krebs denke. Früher hatte ich jedes Mal einen kleinen Nervenzusammenbruch vor dem jährlichen PET-CT. Das hat sich mittlerweile gelegt und ich gehe viel entspannter zu den Terminen. Nichtsdestotrotz ist der Krebs immer im Hinterkopf; ich bin z.B. bei EXIT (Organisation, welche bei der Freitodbegleitung unterstützt, Anm. der Interviewerin) registriert, falls sich mein Zustand verschlechtern sollte. Ausserdem gehe ich gelegentlich zu den Treffen der Melanom Selbsthilfegruppe. Die Treffen sind oft emotional sehr intensiv, da man auch Betroffenen begegnet, welchen es sehr schlecht geht. Die Gruppe gibt mir Rückhalt und wir tauschen uns oft über Therapien und Untersuchungen aus und unterstützen uns dadurch gegenseitig.
Habt Ihr eine Botschaft für andere Betroffene oder die allgemeine Bevölkerung?
Natascha: Man sollte sich so gut wie möglich vor der Sonne schützen und sich regelmässig selbst untersuchen. Auch kann man zur Kontrolle zum Haus- oder Hautarzt gehen.
Allen Betroffenen sage ich: Das Wichtigste ist, positiv zu bleiben. Selbst wenn man nicht weiter weiss, gibt es immer einen Weg. Es kann auch helfen, den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe zu suchen, da man sich gegenseitig in der Gruppe aufbauen und motivieren kann. Mir hat es auch geholfen, auf die Medizin zu vertrauen, da wir in der Schweiz ein super Gesundheitssystem haben.
Neven: Man sollte seine Haut und Körper gut beobachten. Wenn sich etwas verändert, geht man am besten gleich zum Hautarzt. In den meisten Fällen hat man gute Aussichten, wenn man die Hautveränderungen früh erkennt. Die Prävention ist sehr wichtig, auch wenn sich die Behandlung von Hautkrebs massiv verbessert hat. Es sterben immer noch zu viele Menschen an schwarzem Hautkrebs.
Prävention, Patientengruppen, Selbstuntersuchung
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