Kampf gegen Corona: Eine klinische Studie binnen weniger Wochen

Wissenschaftler prüfen im Eiltempo die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin in gross angelegter Studie

04. Mai 2020

Die weltweite Forschungsgemeinschaft schliesst sich derzeit in neuen, schlagkräftigen und aussergewöhnlichen Task Forces zusammen, um die COVID-19-Pandemie zu bekämpfen; schneller als je zuvor arbeiten diese Teams daran, geeignete Lösungen zu finden.

Eine neue klinische Studie veranschaulicht, wie schnell sich Teams aus Industrie, Wissenschaft und Regierung bilden, um Patientinnen und Patienten zu helfen. Am 20. März begannen die Planungen für eine grosse, von Novartis gesponserte Studie, die den Einsatz von Hydroxychloroquin zur Behandlung von hospitalisierten Patientinnen und Patienten mit COVID-19 untersuchen soll. Die Studie ist Teil des starken Bestrebens, der globalen Gesellschaft durch Wissenschaft Sicherheit und Lösungen zu bieten. Forscherinnen und Forscher von Novartis traten an, um die randomisierte, plazebokontrollierte Studie zu entwerfen und klinische Zentren sowie die akademische Überwachung der Studie zu bestimmen – was für gewöhnlich sechs bis neun Monate harter Arbeit bedeutet, wurde nun auf wenige Wochen reduziert wurden. Mitte April gab die US Food and Drug Administration (FDA) grünes Licht für den Start der Studie.

Anthony Maffia, Vice President Regulatory Affairs, Sandoz
Anthony Maffia, Vice President Regulatory Affairs, Sandoz

„Wir sind alle von dieser Pandemie betroffen“, sagt Anthony Maffia, Vice President Regulatory Affairs bei Sandoz, der Generika- und Biosimilars-Division von Novartis. „Jeder und alle, die innerhalb und ausserhalb des Unternehmens mit der Studie zu tun hatten, teilten dieselbe Einstellung: Wie kann ich helfen?“

Die gründliche Phase-III-Studie soll eine Antwort auf die folgende Frage geben: Hilft Hydroxychloroquin hospitalisierten Patientinnen und Patienten mit der COVID-19-Krankheit? Das Medikament ist in der medizinischen Fachwelt auf grosses Interesse gestossen, nachdem es in vorläufigen klinischen Berichten - einschliesslich eines Berichts, der die gleichzeitige Verabreichung eines Antibiotikums1 beinhaltete - sowie in Labortests vielversprechend war.2,3 Wiederum andere Berichte deuten darauf hin, dass es nicht wirksam sein könnte.4,5 Keiner dieser Berichte bezog sich jedoch auf eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie. Hydroxychloroquin wird seit langem zur Behandlung von Malaria und bestimmten Autoimmunkrankheiten eingesetzt.6 

Die neue Studie ist daher wichtig. Aber sie ist nicht das einzige laufende Projekt. Novartis arbeitet in dieser Zeit der globalen Krise durch eine Reihe von Initiativen mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft zusammen. Unternehmen und Forscherinnen und Forscher des akademischen Sektors arbeiten zusammen, um Behandlungsoptionen für Patientinnen und Patienten zu ermitteln. -Konsortien aus verschiedenen Interessensgruppen haben sich in Rekordzeit zusammengeschlossen, um die besten Köpfe und Technologien zur Bekämpfung der Pandemie nutzbar zu machen.

Ein Team mobilisiert sich

Das Patent für Hydroxychloroquin lief bereits vor langer Zeit aus, und Sandoz stellt seit 1995 eine generische Version davon her. Als Hydroxychloroquin in diesem Jahr als potenzielle Behandlung der COVID-19-Krankheit Aufmerksamkeit erregte, stellte das Unternehmen massive Mengen des Medikaments her und stellte es den weltweiten Forschungsanstrengungen zur Verfügung. Man verpflichtete sich rasch, zu diesem Zweck bis zu 130 Millionen Dosen Hydroxychloroquin zu spenden.

Im Allgemeinen konzentriert sich Sandoz jedoch darauf, den Zugang zu hochwertigen Medikamenten zu ermöglichen, und nicht darauf, neue mögliche Anwendungen dieser Medikamente zu erforschen. Offene Fragen zur Anwendung von Hydroxychloroquin bei COVID-19 mussten beantwortet werden, weshalb man das Fachwissen anderer Divisionen von Novartis mobilisierte.

Die Abteilung für die globale Medikamentenentwicklung (Global Drug Development, GDD) bei Novartis konzipiert und führt umfangreiche klinische Studien durch, fokussiert sich in der Regel nicht auf generische Medikamente auf Basis kleiner Moleküle. Es besteht jedoch ein dringender, unbestreitbarer Bedarf an wissenschaftlich fundierten Lösungen für COVID-19-Patienten, um festzustellen, ob neue Medikamente sicher und wirksam sind. Die GDD Forscherinnen und Forscher krempelten die Ärmel hoch und begannen mit der Planung einer Studie. Sie rangen mit Dutzenden von wichtigen Fragen – beispielsweise welche Patientinnen und Patienten in die Studie aufgenommen und welche Hydroxychloroquin-Dosierungen verwendet werden sollten – und standen in regem Austausch mit Sandoz, um die medizinischen und regulatorischen Feinheiten des Präparats zu verstehen.

Wir haben die Pflicht, herauszufinden, ob es Patienten mit der COVID-19-Krankheit wirklich hilft.

Thomas Lehmann, Senior Global Program Head des Hydroxychloroquin Global Program Teams, Novartis Global Drug Development

„Buchstäblich innerhalb weniger Wochen haben wir Hunderte von Menschen innerhalb der Organisation mobilisiert, um sicherzustellen, dass die Medikamentenversorgung stabil ist und dass wir uns an den verfügbaren klinischen Daten orientieren", sagt Maffia.

Eine klinische Studie der Phase III ist ein gewaltiges Unterfangen, bei dem eine Mindestmenge an Beweisen gesammelt werden muss, die die Zulassung eines Medikaments für eine bestimmte Krankheit durch die Gesundheitsbehörden unterstützt. Der Goldstandard ist dabei eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie – und eine eben solche Studie konnte das neu zusammengestellte Team in kurzer Zeit entwerfen.

Geplant ist, etwa 440 hospitalisierten Patientinnen und Patienten mit COVID-19 in die Studie aufzunehmen, die nach dem Zufallsprinzip einer von drei Gruppen zugeordnet werden sollen. Die erste Gruppe wird Hydroxychloroquin erhalten. Der zweiten Gruppe wird Hydroxychloroquin in Kombination mit Azithromycin, einer Antibiotikatherapie, verabreicht. Die dritte Gruppe erhält ein Placebo. Alle Patientinnen und Patienten in allen Behandlungsgruppen erhalten die Standardbehandlung für COVID-19. Die Arzneimittelversorgung für die klinische Studie wird von Sandoz gewährleistet.

Das Team von Novartis arbeitete nachts und am Wochenende, um die Planung der Studie zu beschleunigen, wobei Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Unternehmen zur Unterstützung herangezogen wurden. So wurden beispielsweise Kolleginnen und Kollegen der Novartis Institutes for BioMedical Research mit ihrem fundierten Wissen über Infektionskrankheiten und die Entwicklung antiviraler Medikamente gebeten, bei der Gestaltung des Protokolls mitzuwirken und akademische Prüfinstanzen zu benennen, die bereit sein könnten, bei der Durchführung der Studie zu unterstützen. Eine Abstimmung mit den Regulatoren bei der FDA fand ebenfalls von Beginn an statt, die gleichermassen rund um die Uhr an der Reaktion auf die Pandemie arbeiten.

Der Wissenschaft folgen

Thomas Lehmann, Senior Global Program Head, GDD
Thomas Lehmann, Senior Global Program Head, GDD

Alle an diesem Projekt Beteiligten haben sich verpflichtet, der Wissenschaft zu folgen, wohin auch immer sie führt. Es gibt dennoch keine Garantie, dass sich das Medikament als wirksam gegen COVID-19-Infektionen erweisen wird.

„Wir setzen grosse Hoffnungen auf Hydroxychloroquin, aber die klinischen Beweise sind  bisher spärlich“, sagt Thomas Lehmann, Senior Global Program Head des globalen Hydroxychloroquin-Programmteams in der GDD. „Wir haben die Pflicht, herauszufinden, ob es Patientinnen und Patienten mit der COVID-19 wirklich hilft.“

Die Studie steht sinnbildlich für den Aufschwung der Forschung, der als Reaktion auf die Pandemie derzeit weltweit stattfindet. Teams arbeiten organisationsübergreifend und international zusammen, um eine Vielzahl zugelassener Medikamente gegen COVID-19 neu zu verwenden, Impfstoffe gegen den neuartigen Erreger zu entwickeln und neue Medikamente zu entdecken, die das Potenzial haben, Coronaviren zu bekämpfen. Dieser mehrgleisige Ansatz zur Bekämpfung des Virus erhöht die Chancen, Lösungen für die Patientinnen und Patienten zu finden. Die explosionsartige Zunahme von Ideen und Kooperationen ist auch ein Beweis für die Kraft, die ein gemeinsames Ziel zu verfolgen freisetzt.


Header Image entnommen aus Adobe Stock: Bei der Betrachtung von SARS-CoV-2, dem Virus, das COVID-19 auslöst, werden kleine Spitzen auf der Oberfläche sichtbar