Unter fortgeschrittener systemischer Mastozytose (kurz: advSM für advanced systemic mastocytosis) versteht man eine Gruppe von seltenen, bösartigen Erkrankungen des Knochenmarks, die durch die unkontrollierte Vermehrung abnormer Mastzellen gekennzeichnet sind. Die Folge ist, dass sich im Körper des Patienten zu viele entartete Mastzellen befinden, die sich in Organen anreichern (=Organinfiltration) und so deren Funktion beeinträchtigen. Zu diesen Organen gehören besonders: Leber, Milz, Darmtrakt, Lymphknoten, Knochenmark.1,2
Typische Symptome einer fortgeschrittenen systemischen Mastozytose sind folgende:
- Beschwerden im Magen-Darm-Trakt verbunden mit Gewichtsverlust
- reduzierte Blutzellwerte (z. B. Mangel an roten Blutkörperchen)
- eine Vergrößerung der inneren Organe (z.B. Leber oder Milz)
- Osteolysen
Zudem ist eine Mastzelle in der Lage, bestimmte Stoffe (die sogenannten Mediatoren) freizusetzen, die selbst unterschiedliche Beschwerden hervorrufen können. Dazu gehören z. B. Hautrötungen und Juckreiz.3,4
Bei ca. 80–90% aller Patienten mit systemischer Mastozytose kann eine Mutation im KIT-Gen nachgewiesen werden, das den Bauplan für einen bestimmten Rezeptor enthält. Besonders häufig kann die sogenannte KIT-D816V-Mutation nachgewiesen werden. Warum diese Mutation allerdings auftritt, ist bislang noch nicht geklärt. Die fortgeschrittene Mastozytose ist jedoch keine vererbbare Erkrankung und hat auch keinen anderen Auslöser, wie z. B. Strahlenbelastung, Medikamente oder Chemikalien.5
Insgesamt umfasst der Begriff advSM drei Erkrankungen2:
- aggressive systemische Mastozytose (ASM)
- systemische Mastozytose mit einer begleitenden Blutbildungserkrankung (SM-AHN)
- Mastzellleukämie (MCL)
Bis zur eindeutigen Diagnose „fortgeschrittene systemische Mastozytose“ ist es oft ein weiter Weg für Patienten und ihre Ärzte. Das liegt vor allem daran, dass die Erkrankung viele unterschiedliche Symptome hervorrufen kann, die zunächst sehr unspezifisch sind. Ein möglicher Diagnoseweg könnte so aussehen: Erster Anlaufpunkt ist häufig der Hausarzt, der – je nachdem, ob Hautsymptome vorliegen oder nicht – die Überweisung zu einem Dermatologen veranlasst oder selbst auf Spurensuche geht. Nach den Standardtests (einer körperlichen Untersuchung, eventuell einem Ultraschall der Bauchorgane und einer Blutabnahme) und abhängig von den Beschwerden und Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen, wird der Patient entweder bei einem Internisten, Hämatoonkologen, Radiologen oder Neurologen vorstellig. Da letzten Endes aber der Mastozytoseverdacht nur mit speziellen mikroskopischen Untersuchungen und Färbemethoden durch einen Pathologen nachgewiesen werden kann, ist eine Gewebeentnahme aus dem Körper des Patienten notwendig, um die Mastzellinfiltartion nachzuweisen. In jedem Fall erfolgt eine Entnahme von Knochenmark. Bei Verdacht auf den Befall eines anderen Organs kann es zusätzlich notwendig werden, dort Gewebe zu entnehmen.4
Bis heute ist eine Heilung der advSM nicht möglich. Auch eine Standardtherapie gibt es in diesem Sinne nicht. Die Symptome der Erkrankung lassen sich jedoch oft gut kontrollieren.
1. Basistherapie: Zur Behandlung einzelner Beschwerden haben sich folgende Wirkstoffe besonders bewährt:
- Antihistaminika (H1- und H2-Blocker): Diese Präparate blockieren Histaminrezeptoren und verhindern, dass sich das aus den Mastzellen ausgeschüttete Histamin dort andocken und Symptome verursachen kann. So können Mediatorvermittelte Symptome und Magen-Darm-Beschwerden gut kontrolliert werden.
- Kortison: Sowohl Mediator-vermittelte Symptome als auch überschießende allergische Reaktionen (Anaphylaxien) werden durch kurzfristig gegebene Kortison-Dosen eingedämmt.
- Mastzellstabilisatoren: Reduzieren die Aktivität der Mastzellen und helfen viele Magen-Darm-Beschwerden zu behandeln.
- Bisphosphonate: Wirkstoffe aus dieser Arzneifamilie bekämpfen Knochenschwund und werden in der Regel als Tabletten verschrieben.
- Protonenpumpenhemmer: Reduzieren die Magensäureproduktion und reduzieren so Beschwerden wie Sodbrennen und Magengeschwüre.
- Allergische Immuntherapie: Die sogenannte Hyposensibilisierung kann helfen, die Reaktionen des Immunsystems auf bestimmte Allergene zu modifizieren
2. Zytoreduktive Therapie
In den fortgeschrittenen Stadien der Mastozytose, d.h. wenn ein C-Finding vorliegt, ist die medizinische Notwendigkeit gegeben, die Mastzelllast mittels Medikamenten zu verringern. Der Begriff „zytoreduktive Therapie“ wird im Zusammenhang mit Krebserkrankungen oft synonym zu „Chemotherapie“ verwendet.5 Seit 2017 steht eine zielgerichtete, orale Therapie zur Verfügung.11