Die Corona-Krise zeigte starke Mängel bei der Arzneimittelversorgung auf, die eine vereinte Herangehensweise von Politik und Industrie erfordern. Zu diesem Thema diskutierten Gesundheitsminister Anschober und Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Schramböck mit Michael Kocher (Country President Novartis Österreich) und Rebecca Guntern (Head Sandoz Europe) bei einer von Der Presse organisierten Podiumsdiskussion.
Dass aktuell rund 80 % aller Wirkstoffe im Generika-Bereich außerhalb der EU produziert werden, kann in Krisensituationen zu Lieferengpässen wichtiger Medikamente führen. Was Michael Kocher während der Corona-Krise besonders überrascht hatte, waren allerdings die Probleme bei den LKW-Lieferungen innerhalb Europas – während die Wirkstofflieferungen aus China weiterhin eintrafen. Gesundheitsminister Anschober pflichtete bei: „Da braucht es in jedem Fall einen gemeinsamen europäischen Weg.“ Die EU arbeite bereits an einem Maßnahmenpaket dazu.
Standort Österreich
Vor allem bei der Wirkstoffproduktion ortete Michael Kocher ein Problem, da diese immer stärker aus der EU abwandere. Die Sorge um ein generelles Aus der Arzneimittelproduktion in Europa sei aber unbegründet. Rebecca Guntern von Sandoz meint dazu: „Europa muss sich auf essenzielle Arzneimittel fokussieren, wie Antibiotika oder notwendige Medikamente in der Intensivmedizin.“
Um die Produktion von Wirkstoffen, innovativen Therapien und Generika weiterhin in Europa und Österreich zu halten, brauche es eine intensive Zusammenarbeit zwischen Politik – aus den Bereichen Gesundheit & Standort – und Industrie. Weiters sprach Kocher die sehr niedrigen Preise im Generika-Bereich an sowie den manchmal im Vergleich zu anderen westeuropäischen Staaten fehlenden Zugang zu Innovationen für Patientinnen und Patienten in Österreich.
Diskutieren müssen wir darüber, wie halten wir bestehende Produktionen hier und wie holen wir Schlüsseltechnologien nach Europa.
Michael Kocher, Country President Novartis Österreich
Ministerin Schramböck sieht die Forschungs- und Investionsprämie als Bekenntnis der Politik zum Standort Österreich – sowie die spezielle Berücksichtigung bei Ausschreibungen: „Bereits bei den Ausschreibungen muss darauf geachtet werden, dass europäische Hersteller leichter zum Zug kommen und gefördert werden.“
Auch Neue Technologien könnten bei der Standortsicherung und Versorgungssicherheit zukünftig eine wichtige Rolle spielen, ebenso wie gute Frühwarnsysteme und strategische Lagerhaltung, ist Ministerin Schramböck überzeugt.
Preisdruck bei Generika
Um die Generikaproduktion weiterhin in Europa zu halten, muss auch die Bereitschaft da sein, mehr für Medikamente zu bezahlen. In Österreich werden rund 40 % der Präparate unter der Rezeptgebühr – aktuell 6,30 EUR – verkauft. Bisher fehle es an geeigneten ökonomischen Rahmenbedingungen zur Unterstützung einer wirtschaftlichen Preisgestaltung für Generika, meint Kocher. Somit sei eine kostendeckende Produktion in Europa kaum umzusetzen.
Weitere Maßnahmen
Eine gute Infrastruktur könnte dabei helfen, die pharmazeutische Produktion in Österreich zu halten: So könnten internationale Schulen dazu beitragen, internationale Fachkräfte anzulocken.
Auch der Zugang zu in Österreich produzierten Medikamenten müsste für heimische Patienten besser geregelt werden. Teilweise ist dieser schlechter als in anderen europäischen Staaten.
Michael Kocher resümiert: “Einen Schulterschluss Politik und Industrie, ein Herauskommen aus der negativen Preisspirale im Generikabereich und Zugang für alle österreichischen Patientinnen und Patienten zu innovativen Therapien – mit diesen drei Punkten wäre gewährleistet, dass Österreich für Investitionen der Pharma-Industrie attraktiv bleibt.“
Lesen Sie hier einen ausführlicheren Bericht zu dem Thema pharmazeutische Produktion in Österreich und Europa.