So wie Obstbäume für uns Äpfel und Birnen produzieren, können wir auch Zellen verwenden, um Nukleinsäuren wie mRNA (messenger RNA) für mRNA-Impfstoffe oder Bestandteile von Gen- und Zelltherapien herzustellen. In diesen Prozessen spielen sogenannte Plasmide eine wichtige Rolle.
Stefan Hutwimmer leitet am Standort Kundl in Tirol die Herstellung von Proteinen, mRNA und auch Plasmiden. Er erklärt uns, was diese vielseitig einsetzbaren DNA-Stückchen so alles können und warum ihn diese biotechnologische Methode fasziniert.
Plasmide – was ist das?
Ein Plasmid ist ein Stück kleine, kreisförmige DNA, die sich von der Chromosomen-DNA – also dem Erbgut einer Zelle – unterscheidet. Man findet sie hauptsächlich in Bakterienzellen außerhalb des Zellkerns. Die Gene in der Plasmid-DNA sorgen meist für einen Überlebensvorteil der Zelle, wie etwa Resistenzen gegen Antibiotika.
“Biotechnologisch kann man Plasmide dazu einsetzen, bestimmte Gene in großen Mengen herzustellen“, erklärt der promovierte Mikrobiologe Stefan Hutwimmer (40).
Dazu werden DNA-Fragmente bestimmter Gene in Plasmide eingebracht und das Plasmid anschließend in Bakterien geschleust. Da sich Bakterien rasch teilen und mit ihnen auch die Plasmide, können so die gewünschten DNA-Fragmente vielfach kopiert werden. Dieser Ansatz findet in unterschiedlichen Bereichen Anwendung:
Gen- und Zelltherapien
In Gen- und Zelltherapien werden krankmachende Gene durch gesunde Versionen ersetzt bzw. Zellen mit neuen Eigenschaften ausgestattet. Bei der Zelltherapie wird das neue Gen meist in einem viralen Vektor – ein inaktiver, nicht-krankheitserregender Virus – in die Zelle zu der DNA des Patienten oder der Patientin im Zellkern transportiert und dort ersetzt bzw. ergänzt.
Um diesen viralen Vektor herzustellen, wird Plasmid-DNA verwendet – Stefan Hutwimmer erklärt das so: „Die Plasmid-DNA dient als Bauplan für den viralen Vektor und wird einer Zellkultur beigemengt. Die Zellen nehmen die Plasmid-DNA auf und beginnen mit ihrer inneren Zellmaschinerie dem Bauplan zu folgen und produzieren so maßgeschneiderte virale Vektoren in großen Mengen.“ Danach werden die Vektoren aufgereinigt und isoliert und sind bereit für den Einsatz in Gen- und Zelltherapie.
mRNA-Impfungen
mRNA-Impfstoffe gegen z.B. das Coronavirus funktionieren so, dass dem Körper mit der mRNA ein Bauplan für bestimmten Oberflächenproteinen des Virus geliefert wird – denn anhand der Oberflächenproteine erkennt das körpereigene Immunsystem das Virus. Wurde die mRNA mit der Impfung verabreicht, beginnt der Körper anhand des Bauplans Oberflächenproteine des Virus nachzubauen. So wird das Immunsystem darauf trainiert, das Virus anhand der Oberflächenproteine sofort zu erkennen und zu bekämpfen.
Bei der Produktion dieser mRNA-Impfstoffe werden ebenfalls Plasmide verwendet: „Das DNA-Plasmid dient als Vorlage für die mRNA und wird von Enzymen basierend auf der DNA-Vorlage in RNA umgeschrieben“, meint Stefan Hutwimmer.
Plasmide made in Austria
Das Qualitätsmerkmal „Made in Austria“ führen auch Plasmide, die in dem Novartis-Werk in Kundl unter der Leitung von Stefan Hutwimmer hergestellt werden. Für ihn ist die Entscheidung von Novartis Plasmide im österreichischen Werk zu produzieren nur eine logische Schlussfolgerung, die sich aus einer erfolgreichen Innovationsgeschichte ergibt.
„Kundl ist bekannt dafür, seit 75 Jahren pharmazeutische Produkte mit mikrobiellen Zellen herzustellen und Therapien zu revolutionieren – von der Entdeckung des oral verabreichbaren Penicillin, über zahlreiche andere „small molecule“ Produktinnovationen bis hin zum Launch des weltweit ersten Biosimilars. Gerade in den letzten Jahren kamen dann noch hochkomplexe innovative Proteinprodukte aus der Novartis-Produktpipeline dazu. Daraus ergibt sich für mich auch der logische Schritt in die Plasmid-Produktion einzusteigen, um die besondere Expertise im Bereich der Biotechnologie zu nutzen und an der derzeitigen Revolution zu neuen Produktklassen, wie etwa Zell- und Gentherapien oder mRNA-Impfstoffen mitzuwirken“, meint Stefan Hutwimmer.
Stefan Hutwimmer blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Ich bin gespannt, welche weiteren Anwendungsgebiete von Plasmiden wir zukünftig noch sehen werden. Wir mischen jedenfalls in diesem High-Tech-Bereich in Kundl erneut ganz vorne mit!“
Glossar
mRNA (messenger RNA) ist eine Ribonukleinsäure, die genetische Informationen enthält, die für die Herstellung von gewissen Eiweißen in der Zelle benötigt werden. Dabei agiert die mRNA als Überträger (messenger) der genetischen Information von der Desoxyribonukleinsäure (DNA) – in der alle Erbinformationen gespeichert sind – an die Zellbestandteile (Ribosomen), die die Eiweiße entsprechend dem genetischen Bauplans der mRNA erstellen.
Vektoren sind Transportvehikel, mit denen man Nukleinsäuren (DNA & RNA) in fremde, lebende Zellen transportieren kann.
Small Molecules oder niedermolekulare Verbindungen bezeichnen Stoffklassen mit geringem Molekulargewicht, die meist aus chemischen Syntheseverfahren gewonnen werden. Davon grenzen sich die Biologika ab – Eiweiße mit typischerweise hohem Molekulargewicht, die mit Hilfe lebender Zellen gewonnen werden.