Was ist akute myeloische Leukämie?

Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems (Blutkrebs), bei der eine frühe Vorstufe einer myeloischen Zelle entartet und sich unkontrolliert vermehrt. Zu den myeloischen Zellen gehören die roten Blutkörperchen, Blutplättchen und ein Teil der weißen Blutkörperchen. Bei gesunden Menschen ist die Vermehrung und Erneuerung der Blutzellen strikt reguliert. Bei der AML verläuft dieser Prozess unkontrolliert. Durch die Veränderungen des Erbmaterials beginnt die betroffene Zelle, sich ungebremst zu teilen und zu vermehren, ohne sich jedoch zu normalen, funktionstüchtigen Blutkörperchen zu entwickeln. Die entstehenden Zellen werden als myeloische Blasten bezeichnet. Sie breiten sich rasch im Knochenmark aus und behindern dort die Bildung gesunder Blutkörperchen. Über das Blut können die Blasten schließlich im Körper verteilt werden und andere Organe befallen und schädigen.1

 

Die Symptome der AML entwickeln sich meist innerhalb weniger Wochen. Sie entstehen zum einen durch den Mangel an normalen Blutzellen und zum anderen durch den Befall von Organe mit myeloischen Blasten. Manche Patienten haben kaum Beschwerden und die Leukämie wird zufällig während einer routinemäßigen Blutuntersuchung entdeckt.

Bei den meisten AML-Patienten treten als Symptome ständige Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Hautblässe (aufgrund des Mangels an roten Blutkörperchen), Fieber und/oder eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte (durch den Mangel an weißen Blutzellen) auf. Die Symptome einer AML können aber auch individuell sehr unterschiedlich sein und hängen i.d.R. auch davon ab, wie weit die Erkrankung bereits fortgeschritten ist.

  • Müdigkeit und Erschöpfungsgefühl
  • Fieber
  • Blässe der Haut
  • Erhöhte Infektionsfälligkeit
  • Bauchschmerzen aufgrund einer vergrößerten Milz oder Leber
  • Verlängerte Blutung bei Verletzung
  • Nasen- oder Zahnfleischblutung
  • Hyperplasie des Zahnfleisches
  • Blaue Flecken oder punktförmige Hauteinblutungen

Die akute myeloische Leukämie ist keine einheitliche Erkrankung, sondern vielmehr eine Gruppe verschiedener Unterformen, die sich anhand ihrer biologischen Eigenschaften, äußeren Zellmerkmale und genetischen Veränderungen gegeneinander abgrenzen lassen. Die Zuordnung zu einer bestimmten Unterform spielt eine wichtige Rolle für die Therapieentscheidung, da die verschiedenen Unterformen in Bezug auf den Krankheitsverlauf und die Heilungschancen (Prognose) voneinander abweichen und gegenüber einer Chemotherapie unterschiedlich empfindlich sind. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen primärer und sekundärer AML: 

  • primäre/novo AML: unabhängig und ohne vorhergehende Knochenmarks- oder Krebserkrankungen 
  • sekundäre AML: entwickelt sich aus einer anderen Knochenmarkerkrankung (z.B. einem myelodysplastischen Syndrom) oder entsteht als Folge einer früheren Chemo- oder Strahlentherapie. 

Die akute Promyelozytenleukämie (APL) ist eine seltene Unterform der AML, die bei etwa 5% der AML-Patienten diagnostiziert wird. Bei dieser Erkrankung kann eine besondere genetische Veränderung nachgewiesen werden, die als Translokation t(15;17) bezeichnet wird. Sie führt zur Bildung des fehlerhaften Eiweißes PML-RARA, das ursächlich an der Entstehung der Erkrankung beteiligt ist.

Einige Patienten trifft die Diagnose AML völlig überraschend im Rahmen einer Routineuntersuchung.

Der Arzt (oft der Hausarzt, manchmal ein Facharzt) stellt fest, dass die Blutwerte nicht in Ordnung sind und auf eine Leukämieerkrankung hinweisen. In der Regel wird der Patient daraufhin zum Hämatoonkologen überwiesen, der weitere Untersuchungen und einen ausführlichen Bluttest durchführt.

Werden dabei unreife Blutkörperchen, sogenannte Blasten, in dem Patientenblut gefunden, ist dies ein Zeichen für Leukämie. Es folgt dann i.d.R. eine Untersuchung der Zellen aus dem Knochenmark des Patienten. Unter örtlicher Betäubung wird dazu mit einer speziellen Nadel Knochenmark aus Ihrem Becken entnommen und die darin enthaltenen Zellen werden mikroskopisch genau untersucht.

Finden sich im Blut oder im Knochenmark mindestens 20 % myeloischer Blasten, liegt eine AML vor. Beim gesunden Menschen liegt der Anteil an Blasten normalerweise weit unter 5%. Anhand von Blutbild und Knochenmarksuntersuchung kann der Arzt feststellen, ob bei dem Patienten eine AML oder eine andere Leukämieerkrankung besteht.

AML ist eine schwere Erkrankung, die unbehandelt innerhalb weniger Wochen zum Tode führt. Deshalb ist es außerordentlich wichtig, dass nach der Diagnose umgehend mit einer Therapie begonnen wird. Der wichtigste Bestandteil der Behandlung ist die Chemotherapie mit einer begleitenden Therapie zur Behandlung der Nebenwirkungen. Dazu kann im Einzelfall eine Knochenmarktransplantation kommen. Die Strahlentherapie spielt bei der AML eine untergeordnete Rolle. Alle Bestandteile der Therapie dienen dazu, die Leukämiezellen überall im Körper möglichst vollständig abzutöten, damit das Knochenmark wieder seine ursprüngliche Funktion, die Blutbildung, aufnehmen kann.

Bei der Chemotherapie erhält ein Patient Medikamente, die Zytostatika genannt werden und gezielt das Wachstum von Leukämiezellen hemmen. Da ein einziges Medikament in der Regel nicht ausreicht, um alle Blasten zu vernichten, kombiniert man mehrere Medikamente mit verschiedenartigen Wirkweisen. Sie werden als Infusion, Spritze oder in Form von Tabletten gegeben. Die Chemotherapie gliedert sich in mehrere Zyklen, die durch Pausen (Intervalle) voneinander getrennt sind, in denen sich gesunde Zellen regenerieren können. Zur Beurteilung des Therapieerfolges werden in regelmäßigen Abständen das Knochenmark und andere befallene Regionen kontrolliert.

Ziel dieser Therapie ist es, das erkrankte Knochenmark durch gesundes zu ersetzen. Bei der Stammzelltransplantation werden dem Patienten aufgereinigte Blutstammzellen eines passenden Spenders (allogen) oder seltener des Patienten selbst (autolog) mittels Infusion verabreicht. Für eine erfolgreiche Therapie müssen zuvor alle Leukämiezellen abgetötet werden. Dies wird durch eine starke Chemotherapie und eine Bestrahlung erreicht, die neben den Blasten auch die gesunden Zellen im Knochenmark zerstört. Da es sich um eine belastende und risikoreiche Therapie handelt, muss der Patient im Hinblick auf Allgemeinzustand und Alter für eine Stammzelltransplantation in Frage kommen. Eine Stammzelltransplantation wird meist nur dann durchgeführt, wenn aufgrund der Merkmale der Leukämiezellen davon ausgegangen werden muss, dass ein hohes Risiko eines Rückfalls (Rezidiv) besteht oder wenn die Chemotherapie keinen ausreichenden Behandlungserfolg gebracht hat.

Die Behandlung von AML-Patienten sollte nach Möglichkeit im Rahmen von Therapiestudien erfolgen. Hierbei erhält der Patient Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und wird mit innovativen Medikamenten und entsprechend aktueller Behandlungsstrategien therapiert. 

Bei einem Rückfall der AML wird zunächst erneut eine Chemotherapie durchgeführt. Bei späten Rückfällen kann die Induktionstherapie wiederholt werden, um erneut eine komplette Zerstörung der Leukämiezellen (Remission) zu erreichen. Bei frühen Rückfällen oder wenn die Erkrankung nicht auf die Therapie anspricht (Therapieversagen), werden verschiedene Möglichkeiten z.B. mit neuen Medikamenten im Rahmen von Therapiestudien erforscht. Hier ist es wichtig, dass die behandelnden Ärzte über alle aktuell verfügbaren Therapiemöglichkeiten informiert sind. Ziel ist es, eine komplette Remission zu erreichen. Häufig wird dann, wenn Alter und Allgemeinzustand es erlauben und wenn ein Spender gefunden werden kann, eine Stammzelltransplantation durchgeführt.

Weitere Informationen zum Thema Akute myeloische Leukämie (AML) finden Sie auf unserer Website für Patientinnen und Patienten www.hemaportal.at/akute-myeloische-leukaemie

Quellen

  1. C. Brandts, A. Kim, H. Serve, Die Akute Myeloische Leukämie (AML) des Erwachsenen. 2017; 4. Ausgabe: 6-8 
  2. C. Brandts, A. Kim, H. Serve, Die Akute Myeloische Leukämie (AML) des Erwachsenen. 2017; 4. Ausgabe: 13-16 
  3. Döhner H et al. Blood. 2017; 129(4):424-447
  4. C. Brandts, A. Kim, H. Serve, Die Akute Myeloische Leukämie (AML) des Erwachsenen. 2017; 4. Ausgabe: 9-12
  5. C. Brandts, A. Kim, H. Serve, Die Akute Myeloische Leukämie (AML) des Erwachsenen. 2017; 4. Ausgabe: 17-20
  6. C. Brandts, A. Kim, H. Serve, Die Akute Myeloische Leukämie (AML) des Erwachsenen. 2017; 4. Ausgabe: 21-39