Im neu errichteten radiopharmazeutischen Labor auf dem Novartis Campus in Basel lag im Spätfrühling 2022 erwartungsvolle Spannung in der Luft. Die Teammitglieder eilten geschäftig durch die Gänge des Gebäudes und bereiteten die letzten Schritte vor, bevor das hochmoderne Labor in Betrieb genommen werden konnte.
Das Team unter der Leitung von Markus Reschke war nur noch wenige Tage von der Eröffnung der Forschungseinrichtung entfernt. Der ersehnte Moment brachte mehr als zwei Jahre akribischer Vorbereitung zum Abschluss und markierte den Beginn eines neuen Forschungskapitels der Novartis Institutes for BioMedical Research.
Das Team unter der Leitung von Markus Reschke war nur noch wenige Tage von der Eröffnung der Forschungseinrichtung entfernt. Der ersehnte Moment brachte mehr als zwei Jahre akribischer Vorbereitung zum Abschluss und markierte den Beginn eines neuen Forschungskapitels der Novartis Institutes for BioMedical Research.
Die Aktivitäten von Novartis im Bereich der Nuklearmedizin gehen auf das Jahr 2018 zurück. Damals schloss das Unternehmen die Übernahme von Advanced Accelerator Applications (ADACAP) ab, einem Pionierunternehmen der Nuklearmedizin, das krankheitsbindende Vektoren – spezielle Moleküle – mit radioaktiven Substanzen kombiniert. Im selben Jahr ging Novartis mit der Übernahme des US-amerikanischen Unternehmens Endocyte, das im gleichen Bereich tätig ist, noch einen Schritt weiter.
Die Übernahmen erfolgten nur wenige Monate nachdem Vas Narasimhan zum CEO von Novartis ernannt worden war und das Unternehmen auf neue Spitzentechnologien ausrichtete, die über die herkömmlichen niedermolekularen und biotechnologischen Medikamente hinausgehen.
Neben dem Ausbau der Aktivitäten in der Zell-, Gen- und Nuklearmedizin investierte Novartis auch in siRNA-Technologie (short interfering RNA), mit der krankheitsauslösende Zellmechanismen unterbunden werden können. Damals sagte Narasimhan, sein Ziel sei es, «das Spielfeld zu vergrößern, um wegweisende Medikamente zu finden».
Präzisionsmedizin
Seither hat Novartis mehrere innovative Medikamente auf den Markt gebracht und ihre Bemühungen intensiviert, die Forschungs- und Produktionspräsenz in hochinnovativen Bereichen zu verstärken. Dazu zählen unter anderem neue Zell- und Genforschungslabore und Produktionsanlagen sowie erweiterte Produktionskapazitäten für siRNA-Therapien.
Der Aufbau solcher Forschungs- und Produktionsstandorte ist alles andere als einfach. Dies gilt im Speziellen für den Bereich der Radioliganden. Obwohl die Ursprünge der Nuklearmedizin bis in die 1930er-Jahre zurückreichen, war sie bis vor Kurzem noch eine Nischendisziplin.
Dies änderte sich erst, als ADACAP vor rund zehn Jahren ihr angestammtes Tätigkeitsgebiet ausweitete. Ursprünglich produzierte das Unternehmen Isotope für die Krebsdiagnostik, wandte sich dann aber der Arzneimittelentwicklung zu, um an einem therapeutischen Konzept zu arbeiten, das darauf abzielte, ein krankheitsbindendes Biologikum mit einem radioaktiven Partikel zu kombinieren. Die Idee war folgende: Der biologische Vektor findet Krebszellen im Körper, die dann von radioaktiven Partikeln auf sehr präzise Art zerstört werden.
Solche nuklearmedizinischen Konzepte wurden bis zu diesem Zeitpunkt in spezialisierten Krankenhäusern quasi manuell umgesetzt. Doch ADACAP verfolgte das Ziel, diesen Prozess zu industrialisieren. Ziel war es, ein Medikament zu entwickeln, das weltweit vertrieben werden kann und das den Patienten den Gang in eine Spezialklinik ersparen würde.
Das kleine Team von ADACAP brauchte mehrere Jahre, um eine entsprechende Therapie zu entwickeln. Als es dem Unternehmen schließlich gelang, eine gebrauchsfertige Radioligandentherapie auf den Markt zu bringen, war dies nicht einfach nur der Moment einer weiteren Markteinführung eines Medikaments. Es war der Beginn einer neuen Form der personalisierten Medizin.
Die Therapie bot einerseits die Möglichkeit, einige Krebserkrankungen sehr gezielt zu behandeln, und erlaubte anderseits auch eine präzise Diagnostik. Dies war zweifellos eine epochale Leistung.
Von Neugierde getrieben
Der große Erfolg hatte allerdings einen Nachteil: Das aufstrebende Feld der gebrauchsfertigen Nukleartherapien war so neu, dass Novartis umfangreiche Vorbereitungen durchführen musste, bevor das Unternehmen nach der Übernahme von ADACAP einen eigenen Forschungsweg einschlagen konnte. Der Fachkräftemangel und die Tatsache, dass die Einrichtung eines Radioligandenlabors ein enorm schwieriges Unterfangen ist, haben die Situation zusätzlich erschwert.
Einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern ist es zu verdanken, dass Bewegung ins Spiel kam. Einer von ihnen war Markus Reschke. «Ich bin ausgebildeter Biologe und war im Bereich der Nuklearmedizin nicht sehr bewandert», sagte Reschke, als ich ihn zu seiner Entscheidung befragte, in der Frühphase des Projekts zum radiopharmazeutischen Team zu stossen. «Als ich die ersten Berichte las, was die Radioligandentherapie für Patienten bewirken kann, war ich wirklich fasziniert. Ich habe sofort zugesagt, als ich gebeten wurde, mich dem kleinen Team anzuschliessen und die Diskussion über das strukturierte Vorgehen in diesem Forschungsbereich zu eröffnen.»
Während das Team an der Entwicklung der Strategie arbeitete, stand es in intensivem Kontakt mit Maurizio Mariani, dem leitenden Wissenschaftler der ADACAP, um mehr über die Technologie zu erfahren und alle möglichen Forschungsoptionen zu prüfen. «Es war eine faszinierende Zeit, da ich damals mehr über die Technologie erfuhr und dieses neue Wissen mit meinem Know-how aus der Biologie verbinden konnte», erinnerte sich Reschke.
Mit voller Kraft voraus
Nach Abwägung aller möglichen Optionen wurde klar, dass der Aufbau eines spezialisierten Nuklearmedizinlabors der beste Weg ist. «Damals fiel die Entscheidung, in Basel eine Einrichtung zu gründen, die über durchgängige Kompetenzen verfügt, um uns in diesem aufstrebenden Bereich einen echten Vorsprung zu verschaffen», erläuterte Reschke.
Geplant war eine vollintegrierte Forschungseinrichtung mit In-vitro- und In-vivo-Laboren sowie ein Speziallabor, in dem Zielmoleküle mit Nukliden in stark bleiabgeschirmten Räumen, sogenannten Hot Cells, zusammengefügt werden.
Dass das Radioligandenlabor in der Schweiz aufgebaut wurde, war kein Zufall. Mit dem Paul Scherrer Institut in Würenlingen, eine Autostunde von Basel entfernt, befindet sich eines der führenden Zentren auf dem Gebiet der Strahlentherapie gleich um die Ecke. Die Nähe war nicht nur für den Wissenstransfer hilfreich: Das Institut diente auch als Lern- und Validierungszentrum für das Labor von Novartis, und künftige Mitarbeitende können dort zudem im Umgang mit radioaktivem Material geschult werden.
Das Paul Scherrer Institut unterstützte Novartis auch sehr intensiv bei der Installation des Labors auf dem Campus. «Das war wirklich eine sehr schwierige Aufgabe, denn es war das erste derartige Labor, das wir hier auf dem Campus gebaut haben», so Reschke. «Da wir mit radioaktiven Partikeln arbeiten, mussten wir durchweg eine Reihe von Schutzmassnahmen treffen. Die Unterstützung durch das Institut war dabei entscheidend.»
Das Labor, das sich im 8. Stock eines älteren Forschungsgebäudes im nördlichen Teil des Campus befindet, musste durch einen massiven Bleischutzmantel abgeschirmt werden. Neben vielen anderen baulichen Sondermassnahmen war das Rohrleitungssystem des Labors so zu konzipieren, dass es unabhängig vom Rest des Gebäudes funktioniert, um eventuelle Kontaminationen zu vermeiden.
Darüber hinaus mussten zusätzliche Sicherheitsmassnahmen installiert werden, beispielsweise radioaktive Messgeräte und eine spezielle Duschkabine, in der sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dekontaminieren können. Darüber hinaus wurden Türen und Schränke durch schwere Bleischutzverkleidungen geschützt, um die Strahlung zu begrenzen.
«Von den ersten Entwurfszeichnungen für das Labor bis zu seiner Inbetriebnahme hat es mehr als zweieinhalb Jahre gedauert», so Reschke. «Doch es hat sich gelohnt, auch wenn wir dabei eine sehr steile Lernkurve durchlaufen mussten.»
Aufbau eines Teams
Auch der Aufbau des Teams erwies sich laut Reschke als Herausforderung, da die Radiopharmazie noch ein vergleichsweise kleines medizinisches Gebiet ist. Bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden baute man vor allem auf die natürliche Neugier der Wissenschaftler. Dies, so Reschke, habe dazu beigetragen, eine ganze Reihe von Wissenschaftlern zu gewinnen, die sich dem Team anschlossen und bereit waren, sich das notwendige Fachwissen in Schulungen anzueignen.
Novartis konnte aber auch gut ausgebildete Fachkräfte anwerben. Eine von ihnen war Josefine Reber, die im Jahr 2020 in das Unternehmen eintrat. Reber verfügt über umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Radiopharmazie. Sie promovierte am Paul Scherrer Institut / ETH Zürich und arbeitete unter anderem am Helmholtz-Zentrum in München.
«Meine Hauptmotivation, bei Novartis zu arbeiten und eine ganz neue Forschungsgruppe für Radioliganden aufzubauen, war, dass ich Verantwortung für Patienten übernehmen wollte», sagte Reber, als ich sie fragte, warum sie von der Akademie in die Industrie wechselte. «Was wir hier errichtet haben, ermöglicht uns, neue Therapien zu entwickeln, die den Patienten echten Nutzen bringen können.»
Reber räumte ein, dass das Gebiet im Vergleich zu besser etablierten Fachgebieten noch klein sei. Sie wies jedoch darauf hin, dass die jüngsten bahnbrechenden Entwicklungen in der Onkologie die Technologie sehr attraktiv und nutzbar gemacht haben, um Krankheiten zu therapieren, die mit klassischen Biologika oder chemischen Medikamenten nur schwer zu behandeln sind.
«Es gelang uns hier, eine Einrichtung mit In-vitro- und In-vivo-Labors aufzubauen. Dadurch können wir die wissenschaftliche Forschung wirklich voranbringen», so Reber. «Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit mit allen Kolleginnen und Kollegen auf nur einer Etage auch die Kommunikation und das gegenseitige Lernen beschleunigen, was ich für einen weiteren großen Vorteil halte.»
Medizin neu denken
Reber schaut wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, die in den vergangenen zwei Jahren zum Team gestossen sind, wie etwa die Laborleiter Sravanth Hindupur und Philipp Holzer, voller Begeisterung und Ehrgeiz in die Zukunft.
«Wir versuchen wirklich etwas Neues zu finden», erläuterte Reber. «Wir arbeiten mit hochmodernen Technologien, die das Potenzial besitzen, den Patienten mit bisher eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten Arzneimittel einer völlig neuen Klasse anzubieten», so Reber.
Reber ist wie ihre Kolleginnen und Kollegen stolz darauf, dass Novartis diesen Weg eingeschlagen hat. «Das ist nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht inspirierend. Der neue Weg steht auch im Einklang mit dem starken, nachhaltigen Engagement des Unternehmens für Medizin und Gesellschaft.»
Während Reber und ihre Kolleginnen und Kollegen die ersten Schritte unternehmen, um sich mit der neuen Arbeitsumgebung vertraut zu machen, werden sie in den kommenden Monaten und Jahren ihre ganze Begeisterung und ihren ganzen Ehrgeiz einbringen müssen, denn das Team arbeitet mit neuartigen Wirkstoffen, die noch nie zuvor getestet wurden. Doch man erhofft sich Grosses.