Wenn der Rasen zu trocken ist, schafft der Rasensprenger Abhilfe. Lässt sich der Rasensprenger aufgrund eines Defekts nicht mehr abdrehen und überflutet den ganzen Garten, ist das problematisch.
Genau das kann auch in unserem Körper passieren: Gefahrensensoren unseres Immunsystems können bei einer Bedrohung Signale aussenden, die im Körper eine kontrollierte Entzündung auslösen können. Hört der Gefahrensensor nicht auf, Signale zu senden – wie der defekte Rasensprenger – können chronische Entzündungen entstehen.
Forschende bei Novartis wollen nun diese überaktiven körpereigenen Gefahrensensoren bei chronischen Erkrankungen ausschalten. Von speziellem Interesse für sie ist das Inflammosom, die «molekulare Maschine» hinter den Entzündungsprozessen. Kann die Aktivität des Inflammosoms und somit die dauernden Entzündungen im Körper gesenkt werden, bietet das einen neuen Ansatz in der Therapie von chronischen Erkrankungen, wie Alzheimer, Krebs, Osteoarthritis oder Gicht.
Denn für Patienten ist oft nicht nur die zugrundeliegende chronische Erkrankung das große Problem, Gewebeschäden können das direkte Ergebnis aus dem ständig aktivierten Immunsystem sein. Oft endet das in einem Teufelskreis aus Entzündungen, Schädigungen des Gewebes und daraus resultierend noch mehr Entzündungen.
Gefahrensensor außer Kontrolle
Die Existenz des Inflammosoms ist noch gar nicht so lange bekannt. Einen ersten Hinweis auf das Inflammosom erhielten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen durch die Erforschung des Proteins NLRP3: Ein durch Mutation verändertes NLRP3-Protein kann zu chronischen Entzündungen führen. Kinder mit einer unbehandelten NLRP3-Mutationen leiden fast ständig an Fieber, Schüttelfrost und Gelenkschmerzen sowie einer verkürzten Lebensspanne.
Außerdem fanden Forschende heraus, dass NLRP3 einer der körpereigenen Gefahrensensoren ist. Insgesamt verfügen wir über 24 unterschiedliche Arten davon, von denen die meisten auf Bakterien oder Viren reagieren. Doch der NLRP3-Sensor wird durch Kristalle, Proteinaggregate und ungesunden zellulären Stress aktiviert.
Wird der NLRP3-Sensor angeschaltet, verbindet er sich mit anderen Proteinen zusammen zu einem Inflammosom. Dieses löst eine Immunantwort und eine damit verbundene Entzündungsreaktion aus, um den Körper vor schädlichen Einflüssen zu befreien.
Problematisch wird es allerdings, wenn der NLRP3-Sensor ständig Gefahr meldet und dauerhaft Entzündungssignale aussendet und so Organe, Zellen und Gewebe schädigen kann. Die ständige Aktivierung von NLRP3 kann einerseits durch eine Genmutation oder chronische Erkrankungen ausgelöst werden wie zum Beispiel:
- den für Alzheimer spezifischen Ablagerungen im Gehirn
- Harnsäurekristallen bei Gicht
- Cholesterinkristallen bei Artherosklerose (Ablagerung von Fetten in der inneren Wandschicht der arteriellen Blutgefäße)
So auch bei einigen Fällen von COVID-19: Als Antwort auf die virale Schädigung der Lunge wird eine Flut an Entzündungssignalen freigesetzt – ein Prozess, der als «Zytokinsturm» bezeichnet wird und zu schweren bleibenden Schäden führen kann.
Gefahrensensor stilllegen
Um eine Aktivierung des NLRP3-Sensors und damit einhergehende Entzündungsreaktionen zu blockieren, konnten Forschende von Novartis und dem Unternehmen IFM Tre unterschiedliche und komplementäre Ansätze identifizieren.
Novartis akquirierte IFM Tre im Jahr 2019 und ist somit das erste Unternehmen, das eine Anti-NLRP3-Therapie in frühen klinischen Studien am Menschen erprobt. Viele Studien werden noch folgen, da es noch vieles rund um therapeutische Ansätze bei chronische Erkrankungen zu erforschen gibt.