Am 28. Februar ist Tag der seltenen Erkrankungen

Feb 28, 2022

Stellen Sie sich vor, es geht Ihnen oder Ihrem Kind schlecht und dennoch wird erst nach Monaten oder Jahren und etlichen Arztwechseln Ihre Krankheit korrekt diagnostiziert. Stellen Sie sich vor, dass es dann trotzdem keine Therapie für diese Krankheit gibt. Stellen Sie sich vor, dass die Schulkamerad*innen Ihres Kindes oder Ihre Kolleg*innen und Bekannten ratlos im Umgang mit dieser Krankheit sind. Und stellen Sie sich vor, dass Sie Hunderte Kilometer fahren müssen, um Ihr Kind oder sich selbst von einem der wenigen Spezialist*innen für diese Krankheit behandeln zu lassen.

So sieht oft der Alltag von Betroffenen aus, die an einer der geschätzt 8.000 seltenen Erkrankungen leiden. In Europa gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen das spezifische Krankheitsbild aufweisen. 

Die ACHSE hilft

Ihre Interessen vertritt unter anderem die „ACHSE“. Die ACHSE e.V. ist ein Netzwerk von Selbsthilfeorganisationen und tritt als Sprachrohr, Multiplikator und Vermittler auf. Sie hilft Betroffenen und Angehörigen und fördert das Wissen über diese Erkrankungen in der Bevölkerung, bei Interessenvertretern in Politik und Organisationen, aber auch bei Ärzt*innen und Therapeut*innen. Ebenso stößt die ACHSE Forschung über seltene Erkrankungen an.

Novartis unterstützt die Arbeit der ACHSE seit vielen Jahren – und setzt am 28. Februar, dem international begangenen Tag der Seltenen Erkrankungen, ein sichtbares Zeichen: Für die Aktion „Chain of Lights“ wird unser Firmengebäude in der Nürnberger Roonstraße in den Farben des Tags der Seltenen Erkrankungen beleuchtet. Diese Aktion wird europaweit von verschiedenen Patient*innenorganisationen für seltene Erkrankungen realisiert.

Novartis Nürnberg ©Daniel Karmann / Novartis

Als forschendes Arzneiunternehmen untersucht Novartis auch einige seltene Erkrankungen, bei denen wir uns für die Patient*innen engagieren. Hier ein paar ausgewählte Beispiele:

Erkrankungen, die den Nieren schaden

IgA-Nephropathie

Eine chronische Entzündung schadet dem Körper immer und in vielen Fällen sehr massiv. Eines von etlichen markanten Beispielen: die sogenannte IgA-Nephropathie in den Nieren (kurz IgAN genannt; IgA steht für Immunglobulin A). Die Erkrankung betrifft einen ganz bestimmten Teil der Nieren, die Nierenkörperchen, deren Aufgabe es ist, das Blut zu filtern. Im Zuge der Erkrankung lagern bilden sich in den Nierenkörperchen sogenannte Immunkomplexe, die Antikörper vom Typ IgA enthalten, ab. Durch diese Ablagerungen kommt es zu einer fortlaufenden Entzündung. 

Lange Zeit verläuft die IgAN schmerzlos und symptomfrei. Deshalb wird sie vielfach nur zufällig und/oder erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Doch zehn bis 20 Jahre nach der Diagnose wird jede*r fünfte der Patient*innen dialysepflichtig. Ihr Blut muss also regelmäßig maschinell gereinigt werden, weil ihre Nieren durch die Erkrankung geschädigt wurden. Vielen Patient*innen droht der Verlust der Nieren. Die IgAN ist die häufigste Erkrankung der Nierenkörperchen in Europa. Jedes Jahr werden nur 8 bis 25 Menschen von einer Million Erwachsenen im Alter unter 50 Jahren neu mit dieser Erkrankung diagnostiziert. Dazu erkranken jedes Jahr 3 bis 5 unter einer Million Kinder neu an einer IgAN. Eine sichere Diagnose kann nur der Facharzt mit einer Gewebeentnahme (Biopsie) stellen. 

Risikofaktoren für ein rasches Fortschreiten der Erkrankung sind Bluthochdruck und eine hohe Eiweißausscheidung im Urin (Proteinurie). Zur Therapie gehören vor allem diätische und Lifestyle-Maßnahmen wie eine salzarme Ernährung oder der Verzicht aufs Rauchen.

C3G 

Eine andere chronische Entzündungserkrankung der Nieren ist unter dem Namen C3G bekannt (für „Complementfactor 3 Glomerulopathy“). Jährlich erkranken weltweit 1 bis 2 von einer Million Menschen neu an C3G – hauptsächlich junge Erwachsene, aber auch Kinder. Sie berichten davon, dass sie körperlich und funktionell eingeschränkt sind und leiden zudem unter emotionalem Stress. Derzeit gibt es keine Therapie, um die Krankheit zu behandeln.

Etwa die Hälfte der Patient*innen entwickeln binnen zehn Jahren nach der Diagnose ein Nierenversagen. Dann muss eine Dialyse ihr Blut regelmäßig reinigen. Es kommt oft zum Organverlust und Transplantation einer Spenderniere.

Die C3G wird nicht durch Antikörper ausgelöst, sondern durch eine Fehlregulation im sogenannten Komplementsystem der Immunabwehr. Das Komplementsystem besteht aus 25 bis 40 Proteinen, die im Blut „schwimmen“ und kaskadenartig aktiviert werden, sobald ein Krankheitserreger auftaucht. Am Ende der Kaskade steht ein aggressiver Angriffskomplex, der Viren, Bakterien oder Pilze direkt zerstören können. Zusätzlich aktiviert das Komplement die restlichen Komponenten unseres Immunsystems. Sind die Eindringlinge besiegt, wird das Komplement wieder „abgeschaltet“. 

Bei der C3G wird das Komplementsystem übermäßig aktiviert, was zur Ablagerung des C3-Proteins in den Nierenkörperchen führt. Das wiederum führt zu Entzündungen und einer Schädigung des Nierengewebes. Die Folge: Die Nieren arbeiten nicht mehr ordnungsgemäß. 

Die spinale Muskelatrophie

Alljährlich werden in Deutschland etwa 80 Babys mit dieser seltenen erblichen Erkrankung geboren. Unbehandelt erleben 9 von 10 Kindern mit SMA Typ 1 – es ist die schwerste Form – ihren zweiten Geburtstag nicht oder sie müssen dauerbeatmet werden. Die Ursache ist der Defekt eines einzigen Gens. Bei dieser Erkrankung ist eine frühe Diagnose und Behandlung entscheidend für den weiteren Verlauf, weshalb der gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen die Aufnahme der Erkrankung in das Screening von Neugeborenen seit Oktober 2021 flächendeckend umgesetzt hat. Erst seit 2017 gibt es überhaupt medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten: der entscheidende Unterschied für Patient*innen, ihre Angehörigen und Ärzt*innen. Novartis setzt sich für die Aufklärung über diese Erkrankung ein, unterstützt betroffene Familien mit Informationsmaterialien und bietet ein spezielles Patient*innenunterstützungsprogramm an.

Weitere seltene Erkrankungen, für deren Behandlung sich Novartis engagiert 

Mehr als nur Fieber

Das Familiäre Mittelmeerfieber (FMF) tritt meist bei Menschen auf, die aus dem östlichen Mittelmeerraum stammen. Bei FMF und anderen seltenen autoinflammatorischen Erkrankungen entstehen im Körper immer wieder „von selbst“ Entzündungen – ohne vorherige Ansteckung mit Krankheitserregern. Dies hat typischerweise wiederkehrende Fieberattacken zur Folge, die von Bauch- und/oder Brustschmerzen und Gelenkentzündungen begleitet werden. Eine frühzeitige Diagnose ist wichtig, da das FMF unheilbar ist. Mit einer geeigneten Therapie können die Krankheitsschübe jedoch gut kontrolliert und schwerwiegende Spätfolgen wie Gelenkschäden oder Nierenversagen vermieden werden.

Licht ins Dunkel bringen – Gendiagnostik in der Augenheilkunde

Erbliche Netzhauterkrankungen können schon Säuglinge treffen. Aufgrund von Veränderungen im genetischen Bauplan der Zellen werden wichtige Prozesse im Auge gestört. Die lichtempfindlichen Sehzellen in der Netzhaut verkümmern meist nach und nach. Dies kann schon im frühen Erwachsenenalter bis zur vollständigen Erblindung führen. In Ergänzung zu gängigen augenärztlichen Untersuchungen ist die Gendiagnostik bei diesen Erkrankungen besonders wichtig. Rund sieben Prozent aller jährlichen Neuerblindungen in Deutschland sind auf eine erbliche Netzhauterkrankung zurückzuführen.

Mehr als nur eine Anämie!

Die Sichelzellkrankheit ist eine erbliche Erkrankung der roten Blutkörperchen. Bei den Patient*innen ist der Farbstoff der roten Blutkörperchen, das Hämoglobin, verändert. Es transportiert unter anderem Sauerstoff durchs Blut. Das veränderte Hämoglobin führt zu einer Deformierung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Die sichelförmigen Erythrozyten haften stärker an den Wänden der Blutgefäße an und verklumpen leichter mit anderen Zellen im Blut. Dadurch können vor allem kleinere Blutgefäße verstopfen. Als Folge werden die Organe im Körper nicht mehr richtig durchblutet, es kommt zu einem Sauerstoffmangel im Gewebe und zu massiven Schmerzkrisen bei den Betroffenen. Nachhaltig können Organschäden, u. a. in der Milz, Leber, Lunge, in den Nieren oder im Gehirn auftreten. Das Leiden ist somit lebensgefährdend und belastet die Betroffenen und ihre Familien auch emotional stark. Zusätzlich werden die Sichelzellen schneller vom Körper abgebaut als gesunde rote Blutkörperchen. Daher leiden die Patient*innen oft an Blutarmut.